Jede Woche schreibt Silke Geercken über ihr Dasein also Oma von Enkelsohn Linus. In dieser Woche geht es in ihrer Großelternkolumne darum, dass Linus im Kindergarten von einem anderen Kind geschubst wird. Was aber einem Kind raten, das von einem anderen angegangen wird? Oma Silke Geercken ist ratlos. Statt „Liebe deinen Nächsten“ und Nächstenliebe würde sie ihrem Enkelsohn am liebsten raten, es mit „Zahn um Zahn“ zu versuchen.
Liebe Deinen Nächsten. Diesen christlichen Spruch umzusetzen, ist gar nicht so leicht, erst recht, wenn es um das Wohl des eigenen Enkels geht. Die Welt in der Kita von Linus wird härter. Gerade vier geworden, muss er jetzt lernen, sich gegen rücksichtslose Spielkameraden zu behaupten.
Wenn freie Spielzeit in der Kindertagesstätte angesagt ist, fliegen manchmal die Fetzen und das eine oder andere Kind auch in den Sand. Natürlich können die Betreuerinnen ihre Augen nicht überall haben, aber sieht man die Erzieherinnen in der Gruppe zusammen stehen und klönen, ist man etwas verwundert.
Mein Enkel Linus wurde innerhalb einer Woche gleich zweimal attackiert, von Ole, einem hyperaktivem Kind. Das erste Mal wurde er in den Rücken gebissen – die Bissspuren hatten Pullover und Hemd sauber durchbohrt. Beim zweiten Mal waren Schürfwunden im Gesicht sichtbar: Ole hatte Linus vom Stein geschubst, dessen Gesicht wiederum einen anderen Stein streifte – noch mal gut gegangen. Als wir Linus fragten, was seine Erzieherin dazu gesagt habe, meinte Linus: „Ole sollte mich trösten.“ Ist das eine pädagogisch sinnvolle Lösung des Problems? Ich musste mich stark zurück halten, Linus nicht zu raten, er möge Ole das nächste Mal kräftig wegschubsen. Denn: Ich kann meinen Nächsten nur lieben, wenn der auch lieb ist.