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Interview mit Ulrike Nasse-Meyfarth

Die zweimalige Olypiasiegerin blickt zurück und in die Zukunft

Ulrike Nasse-Meyfarth

Was ist aus den Athletinnen und Athleten von 1972 geworden, haben wir uns gefragt?

Eine, die uns besonders in Erinnerung geblieben ist, ist die Hochspringerin und zweimalige Olympiasiegerin Ulrike Meyfarth, heute Ulrike Nasse-Meyfarth. Mit ihr haben wir über Sport, Olympia und ihre Enkelin Milou gesprochen.

grosseltern.de:
Liebe Frau Nasse-Meyfarth, man mag es kaum glauben, aber vor 50 Jahren holten Sie Ihre erste olympische Goldmedaille. Wie kamen Sie zu Ihrem Sport und was hat Sie als Kind angetrieben Bestleistungen erzielen zu wollen?

Ulrike Nasse-Meyfarth:
Mit 12 Jahren ging ich in den Leichtathletikverein TV Wesseling. Im selben Jahr verfolgte die Familie die Olympischen Spiele in Mexiko und sah den Springer Dick Fosbury, wie er mit seiner neuartigen Hochsprungtechnik, dem Fosbury-Flop, den Olympiasieg ersprang. Da konnte ich noch nicht wissen, dass der Flop auch mein Leben bestimmen würde.
Es stellte sich bald heraus, dass Hochspringen mein Ding war. Mit dem Rückwärtssprung des alten Dick kam ich am besten klar. So schaffte ich mit dem Flop 1969 1,57 Meter, sprang 1970 deutschen Schülerinnen-Rekord über 1,68 und wurde 1971 als 15-jährige mit 1,80 Metern Zweite der Deutschen Meisterschaften bei den Erwachsenen.

grosseltern.de:
Ihre Karriere hatte Höhen und Tiefen, was war Ihre Motivation immer weiter zu machen und um Bestleistungen zu kämpfen?

Ulrike Nasse-Meyfarth:
Nach dem Olympiasieg 1972 besuchte ich natürlich weiterhin das Gymnasium. Aber von einem normalen Leben konnte keine Rede sein. Ich konnte meine sportliche Leistung in den nächsten Jahren nicht annähernd bestätigen, war halt noch keine ausgereifte Athletin in meinen jungen Jahren. Jeder fühlte sich, ohne zwischen der öffentlichen und der privaten Person Meyfarth zu unterscheiden, berufen mitzureden, jeder war ein Experte für alles, was mit mir zu tun hatte.

Nach meinem Scheitern bei den Olympischen Spielen 1976 in Montreal, als ich vom „Wunderkind zum Sorgenkind“ geschrieben wurde, fasste ich den Entschluss, meinen Olympiasieg von 1972, der für alle und nicht zuletzt auch für mich so überraschend war, noch einmal zu bestätigen. Ich startete einen Neuanfang mit einem neuen Trainer, Gerd Osenberg aus Leverkusen. Mit ihm wollte ich mir Spitzenleistungen noch einmal bewußt erarbeiten.

grosseltern.de:
1984 – zwölf Jahre nach Ihrem Erfolg in München – holten Sie in Los Angeles Ihr zweites olympisches Gold. Wussten bzw. spürten Sie in den Jahren vor Los Angeles, dass es mit einem weiteren großen Titel klappen könnte?

Ulrike Nasse-Meyfarth:
Anfang der 80iger Jahre war ich dann auch wieder in der Weltspitze der Hochspringerinnen angekommen. Nach dem Boykottbeschluss der deutschen Politik, ihre Athleten nicht bei den Olympischen Spielen 1980 in Moskau starten zu lassen, nahm ich mir die nächsten vier Trainingsjahre vor. Meine besten Jahre zu einer gereiften Athletin lagen unmittelbar vor mir. Ich wurde 1982 Europameisterin mit 2,02 Metern und neuem Weltrekord. Den verbesserte ich 1983 um einen Zentimeter auf 2,03 Meter. Das war für mich die Ausgangsposition für eine erfolgreiche Teilnahme an den Spielen 1984 in Los Angeles. Die zweite Goldmedaille, 12 Jahre nach meiner ersten, setzte meiner sportlichen Laufbahn die Krone auf. Zeit für mich, mit 28 Jahren auf einem Höhepunkt und in Würde vom Leistungssport abzutreten.

grosseltern.de:
In Ihrer Kindheit, Ihrer Jugend und als junge Frau haben Sie Mehrfachbelastungen durch Sport, Schule, Studium gemeistert, welche Bedeutung hatten dabei Ihr Elternhaus, Ihre Großeltern?

Ulrike Nasse-Meyfarth:
Meine Eltern waren natürlich immer für mich da. Meine Großmütter, ich war noch im Grundschulalter, waren mittlerweile verstorben. Die Großväter waren im Krieg gefallen.
Später, als unsere Eltern schließlich durch uns Großeltern geworden waren, sind sie natürlich oft hilfreich eingesprungen und haben unsere Kinder, zwei Mädels, betreut, wenn wir zeitweise auch wegen meiner Rolle als Olympiasiegerin doch recht viel unterwegs waren.

grosseltern.de:
Vor nicht allzu langer Zeit wurden Sie zur Oma befördert – oder bevorzugen Sie einen anderen Begriff? -, wie sehen Sie Ihre Rolle in der Familie und gegenüber Ihrer Enkelin?

Ulrike Nasse-Meyfarth:
Wir sind sehr darauf bedacht, dass unsere Enkelin ihre Großeltern mütterlicherseits gut kennt. Das ist nicht einfach bei der großen Entfernung, die zwischen uns liegt. Unsere Tochter nimmt die lange Bahnreise des Öfteren auf sich, damit wir Milou erleben können. Und sie uns. Der Grapa, so nennt sich der Grandpa, albert mit ihr zumeist rum. Er sagt immer: „Großväter sind dafür da, Unsinn zu machen und hin und wieder mal ein paar Moppen springen zu lassen“. Wir hoffen, dass sie später immer wieder gerne zu uns kommen möchte. Im Rheinland lebt die Familie von Milous Mama mit etlichen Cousinen und Cousins, ebenfalls alle noch im Kleinkind-Alter. Die derzeitige Alternative: die nächste facetime kommt bestimmt.

grosseltern.de:
Wir leben heute mehr denn je in turbulenten Zeiten und erleben schwere Krisen. Die nachfolgenden Generationen blicken sorgenvoll in die Zukunft. Welche Zukunft wünschen Sie sich für und mit Ihrer Enkelin?

Ulrike Nasse-Meyfarth:
In diesen Zeiten ist Familie wichtig. Ich denke, alle rücken näher zusammen. Das Kind muss wissen, dass es jederzeit willkommen ist.

Herzlichen Dank, Ulrike Nasse-Meyfarth!

 

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