grosseltern.de: Frau Drue, der Bedarf an „Leihomas/Opas“, sagt man, sei riesig – wie kann man die Situation allein in Düsseldorf mit Fakten verdeutlichen?
Maria Drue: „Ganz grob gerechnet kann man für Düsseldorf sagen: Auf eine Oma kommen etwa 100 Interessenten, je nach Bezirk mal mehr, mal weniger. Viertel, die gerade boomen, haben meist noch größere Bedürfnisse. Wir kommen fast nicht hinterher…“
Rund 60 Leihomas, inklusive einiger Opas, arbeiten für Ihr Projekt. Sie bräuchten viel mehr und es gibt so viele mehr. Woran liegt es, dass sich die Schere eher weiter öffnet statt schließt?
„Wer ein Leben lang gearbeitet hat, muss zunächst mal Lust dazu haben, Kinder von anderen Leuten zu betreuen. Und das ehrenamtlich! Sprich diejenigen, die sich dann melden, haben wirklich die Muße dazu und tun es als Sinnstiftung.“
Sinn suchen aber heutzutage doch viele Menschen…
„… aber nicht jeder sucht ihn in anderleuts Kinder… viele machen Reisen, finden Sinn in Literatur oder lernen einen neue Sprache. Hier läuft uns jedenfalls keiner die Bude ein!“
Viele schaffen sich lieber einen Hund an als ein Kind?
„Auch, oder vernetzen sich untereinander, machen Ausflüge, gehen in Vereine. Man muss ja immer sehen: Das ist unentgeltlich, was wir anbieten!“
Was kann man tun, um die Sinnhaftigkeit der Tätigkeit von Leihomas und –opas zu betonen?
„Mehr Akquise und aktive Werbung wären sicher gut, um mehr Omis und Opis zu finden. Auch dass darüber berichtet wird, ist natürlich wertvoll.“
Was ist für Sie das ganz Besondere daran? Können Sie den Satz „Leihoma zu sein bedeutet…“ so beenden, dass man Mut kriegt mitzumachen?
(überlegt etwas) „Leihoma zu sein bedeutet glaube ich auch, ein Stück eigener Kindheit noch mal neu und positiv zu gestalten. Durch ein bzw. mit einem Kind. Und das muss nicht das eigene sein! Fast alle Leihgroßeltern haben wenn nicht den Krieg, so doch zumindest die Nachkriegszeit erlebt – und da gab es wenig. Die Eltern hatten keine Zeit, waren im Aufbau. Kürzlich war eine Frau bei mir und sagte, wie schön es sei, dass sie selbst nochmal Kind sein dürfe, indem sie mit einem Patenenkel jetzt das erlebt, was sie selbst früher so gern erlebt hätte.“
Sie meinen, das eigene, innere Kind zu füttern?
„Ja genau, unter Umständen bedeutet es eben auch, das eigene kleine Kind, das man mal war, jetzt satt zu machen…“
Wie muss jemand sein, der für Sie in Betracht kommt als Leihgroßeltern zu arbeiten?
„Geistig und psychisch integer, kooperativ, kinderlieb. Der Zeitbedarf liegt bei etwa zwei bis vier Stunden die Woche. Er oder sie muss ein Führungszeugnis vorweisen und zulassen, dass ich einen Hausbesuch mache.“
Sie schauen sich die Situation einer potentiellen Leihoma zuhause an?
„Ja, ganz wichtig. Wir müssen sicherstellen, dass die persönliche Lebenswelt so ist, dass die betreffende Person Verantwortung für andere übernehmen kann. Auch schaue ich, welche Hintergründe zusammen passen könnten. Wenn es später so ist, dass die Patenenkel wirklich mögliche Enkel von den Omas und Opas sein könnten, dann ist es am schönsten für alle.“
Wie oft passiert eine solche Identifikation?
„Gerade gestern sagte mir eine Frau: „Das fühlt sich an wie mein eigenes Enkelkind!“, Sie identifizierte sich so mit der Familie, ist ganz Feuer und Flamme, strahlt aus allen Poren. Ihre größte Sorge ist: Was ist, wenn die mal wegziehen? Viele, die ´echte Omas sind, fühlen sich nicht so wie die …“ (lacht)
Welchen Schritt muss ich tun, wenn ich auch Leihoma werden möchte?
„Einfach die 0211 – 899 69 69 wählen, dienstags und donnerstags zwischen 9-13 Uhr. Die, die eine Leihoma suchen, kommen auf eine Warteliste; die, die es werden möchten, werden zeitnah besucht. Wichtig ist übrigens: Wir vermitteln fußläufig, man muss nicht erst durch die ganze Stadt um seinen Patenenkel zu sehen. Und man kann das Profil des gewünschten Enkelkindes mit bestimmen, also ob man sich lieber um einen Jungen oder ein Mädchen kümmern möchte oder das Alter. Ich versuche immer, beiden Seiten möglichst gerecht zu werden, denn es hilft ja zum Beispiel niemanden wenn eine Oma dem Kind auf dem Spielplatz nicht hinterherkommt…“
Maria Drue hat Sozialarbeit studiert und viele Jahre in der Bezirkssozialarbeit gearbeitet. Parallel dazu absolvierte sie nebenberuflich bereits 1990 eine Ausbildung in Gestalttheraphie und Supervision. Die Mutter zweier Töchter war später lange beim Kinderschutzbund, bevor sie sich 2007 dem Projekt Leihoma/Leihopa zuwendete.
Mehr als 60 Personen, meist Frauen, sind derzeit in diesem Projekt eingebunden und kümmern sich um ihre Leihenkelkinder, indem sie mit ihnen kochen, backen, spazieren gehen, vorlesen oder „einfach“ spielen. Etwa ein Drittel haben selber Enkelkinder, können das aber nicht leben, weil diese zum Beispiel zu weit weg wohnen. Etwa zwei Drittel haben aufgrund von Karriere oder Kinderlosigkeit nie eigene Enkel gehabt.
Text: Elke Tonscheidt