Deutsche Kinderhilfe: Darum ist der Verein so wichtig
Die Deutsche Kinderhilfe arbeitet daran, eine gesellschaftliche Gesamtverantwortung für Familien zu etablieren. In einem Gastbeitrag für grosseltern.de erklärt der stellvertretende Vorsitzende des gemeinnützigen Vereins, Marian Drawitz, warum das wichtig ist.
„Unsere Gesellschaft hat sich zu einer multikulturellen und sozial vielschichtigen Gesellschaft entwickelt, mit wandelnden Familienstrukturen, Arbeitssituationen, Kommunikationsformen und Wertvorstellungen. Kurz gesagt: Aufgrund verschiedener Familienstrukturen (Familie ist überall dort, wo Kinder sind), veränderter Umweltbedingungen und neuer Herausforderungen leben unsere Kinder und Enkelkinder in einer anderen Welt als früher.
Nicht zufällig hat die Deutsche Kinderhilfe im Rahmen ihrer Umstrukturierung beschlossen, sich künftig unter dem Dach von Kinderschutz und Kinderrechten nur noch auf zwei Kernthemenkomplexe zu konzentrieren – eines davon trägt den Namen „Familie und Demographischer Wandel“.
Karriere, Kinder, Krankenpflege – wie zeitgleich bewältigen?
Dieser Themenkomplex bietet enorme Herausforderungen und beinhaltet zugleich auch ein gewisses Konfliktpotential zwischen den Generationen, z.B. in Form von Verteilungskonflikten, insbesondere zwischen der älteren und der jüngeren Generation, d.h. zwischen den Beitrags- und Steuerzahlern einerseits und den Renten- und Pensionsberechtigten im Ruhestand andererseits. Aber auch innerhalb der jeweiligen Generation, nämlich zwischen Menschen mit und Menschen ohne Nachkommen.
In deutschen Familien sind oftmals die „klassischen Familienverbände“ weggebrochen. Das, was sie positiv zum Leben ihrer Mitglieder beitrugen, gilt es zu kompensieren. Dies gilt beispielsweise für die Betreuung der Kleinsten und die Pflege der Ältesten. Dafür brauchen Angehörige entweder mehr Zeit oder aber eine funktionierende, sie umsorgende Infrastruktur. Familien, insbesondere Frauen, leiden darunter, die Arbeitszeiten, Schulzeiten, Kinderbetreuungs- und Pflegezeiten miteinander in Einklang zu bringen – dies gilt gerade für Menschen Anfang 30, die sich in der so genannten „rush hour of life“ befinden. Karriere, Kinder, Krankenpflege müssen oftmals zeitgleich bewältigt werden.
Die junge Generation steht vor großen Herausforderungen
Die wirtschaftlichen Konflikte sind die weitreichsten: Fachkräftemangel, Rückgang der Inlandsnachfrage, eine gewisse Destabilisierung der Sozialsysteme, Folgen für die Gesundheitswirtschaft und die genannten Verteilungskonflikte gehören in dieses Spannungsfeld.
Die Herausforderung für die junge Generation besteht auch in der Entwicklung einer neuen Form der Ökonomie. Dazu gehört vor allem ein Umdenken wirtschaftlicher Unternehmen hin zu mehr Flexibilität und Wertschätzung der Mitarbeiter. Der Fachkräftemangel könnte sich hier als Chance erweisen. Flexiblere Arbeitszeitmodelle könnten z.B. junge Eltern entlasten und eine flexible Altersgrenze die Schaffenskraft und Erfahrung älterer Menschen lebendig erhalten. D.h. es gilt, flexiblere Konzepte fernab von klassischen Teil- und Vollzeitmodellen zu fördern.
Was aber tun gegen den Nachwuchsmangel?
Der Familienpolitik ist es bisher trotz erheblichen Aufwands nicht gelungen, etwas am Nachwuchsmangel – einer der Haupt-Ursachen für die demografischen Probleme – zu verändern. Sie ist teuer, verhältnismäßig ineffizient und ohne klares Ziel. Rund 160 ehe- und familienbezogene Leistungen können potenziellen Eltern kaum vermitteln, was die Politik eigentlich will.
Können wir einen neuen Weg einschlagen? Das Berlin Institut für Bevölkerung und Entwicklung schlägt vor, dass Familienpolitik ausschließlich jene unterstützen soll, die durch Kindererziehung und Pflege Verantwortung übernehmen – und zwar unabhängig von Ehestand und Verwandtschaftsgrad. Mit anderen Worten: Fürsorgesplitting statt Ehegattensplitting. Eine diskussionswürdige Idee. Gleichzeitig muss der Staat aber eine zuverlässige, qualitativ hochwertige Betreuungsinfrastruktur für Familien schaffen.
Marian Drawitz ist stellvertretender Vorstandsvorsitzender der Deutschen Kinderhilfe. Der Politikwissenschaftler leitet deren Hauptstadtrepräsentanz in Berlin.
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